Am 8. März 1932 teilte die Stadtverwaltung Kassel den einzelnen Siedlern mit, daß sie durch die zuständige Kommission für eine Kleinsiedlerstelle ausgewählt worden sind. Unter den 600 Bewerbern um eine Siedlerstelle wurde der größte Teil als durch Krankheit, persönliche Verhältnisse und Zweifelhaftigkeit nicht geeignet ausgeschieden. Auch die Frage, ob der anvertraute Besitz gut verwaltet werde, spielte bei der Auswahl eine große Rolle. Die Zuteilung erfolgte am 12. März 1932 im Stadtverordnetensaal der Stadt Kassel. Bereits am 15. März 1932 erging an die Siedler die Aufforderung, am Dienstag, dem 22. März vormittags um 8 Uhr zum Beginn der Pflichtarbeit mit Schaufel, Spaten und Hacke sich am Bauplatz einzufinden. Etwa zu derselben Zeit waren auch die Siedler des Landkreises Kassel ausgewählt. Eine Niederzwehrener Firma errichtete im 3. Süsterfeldweg ein Probehaus; es war nur zur Hälfte unterkellert. Auf Wunsch der Siedler wurde von einer halben Unterkellerung abgesehen. Auch war zunächst vorgesehen, auf eine Wasserleitung zu verzichten; es sollten Brunnen gebaut werden. Ein Bohrversuch ergab aber, dass nicht genug Wasser vorhanden war. So musste eine Wasserleitung gelegt werden. Das war die erste Arbeit, die in Angriff genommen wurde. Von der damaligen Feldscheune der Domäne Wilhelmshöhe, die in der Nähe der jetzigen Kasernen in der Eugen-Richter-Straße stand, wurden die Wasserrohre in das Siedlungsgelände verlegt. Nun konnte mit den eigentlichen Bauarbeiten begonnen werden. In Baukolonnen wurden die Siedler zusammengefasst. Mit dem Ausheben der Baugruben wurde begonnen, dann traten die Zimmerleute, Maurer, Schreiner und Dachdecker in Aktion. So entstand ein Siedlungshaus nach dem anderen. Innerhalb von wenigen Monaten waren die Häuser bezugsfertig. Seitens der Stadtverwaltung und der Kreisverwaltung wurden den Siedlern, die sämtlich arbeitslos waren, besondere Vergünstigungen während der Bauzeit zugestanden. Sie erhielten ihre wöchentliche Unterstützung, brauchten aber nur einmal im Monat beim Arbeitsamt zu stempeln. Die Ehefrauen konnten wöchentlich das Geld in Empfang nehmen. Auch wurden den Siedlern Arbeitsschuhe und Lebensmittel zur Verfügung gestellt. Es ist bewundernswert, mit wie viel Freude und Kraft die Siedler und Siedlerfrauen an die ihnen gestellte Aufgabe herangegangen sind, trotz der mancherlei Belastungen, die sie zu tragen hatten. Im Jahre 1932 war die Zahl der Arbeitslosen außerordentlich hoch, manche Männer hatten diese Notzeit mit ihren Familien schon jahrelang getragen. Die Arbeitslosenunterstützung war sehr gering, sie lag etwa zwischen 12,— und 15,— Mark wöchentlich. Nun musste dieser Betrag auch ausreichen für die Siedlerfamilie, die gar nicht mehr arbeitslos war, sondern erwerbslos. Der Siedler arbeitete vom frühen Morgen bis zum späten Abend und brauchte mehr an Verpflegung und Arbeitskleidung als ein Arbeitsloser. Die Siedlerfrauen kamen zumeist zur Mittagszeit nach, wenn sie ihren Haushalt versehen, das Mittagessen gekocht und die Kinder versorgt hatten. Dann stand die Siedlerfrau im Garten, manches mal auch mit den Kindern, und arbeitete, und sie regte ihre Hände auch am Haus, dass der Einzug bald geschehen könnte. Und der Einzug konnte bald gehalten werden. Am 1. Oktober 1932 kamen die ersten Familien, andere folgten nach. In vielen Häusern fehlten noch die Haustüren und Treppen, aber die Siedler sehnten sich aus der Enge der Stadt und den oft mangelhaften Mietwohnungen heraus und wollten endlich im eigenen Haus wohnen. Da war noch manches primitiv, und es hat sich erwiesen, dass der Siedler sich zu helfen weiß und auch sehr anspruchslos sein kann. In den Siedlerhäusern brannte noch kein elektrisches Licht, die Petroleumlampen wurden wieder hervorgeholt. Erst im Jahre 1934 konnten die Lichtleitungen gelegt werden. Die Straßen der Siedlung waren Feldwege, und wenn die Siedler zur Stadt gingen, zogen sie ihre alten Schuhe an, wechselten sie mit ihren Sonntagsschuhen, sobald sie die Siedlung hinter sich hatten, und versteckten ihre alten Schuhe im Gebüsch. Die Wege wurden dann durch die Siedler selbst in Ordnung gebracht, wobei ihnen der Freiwillige Arbeitsdienst des Christlichen Vereins Junger Männer half. Einhundertacht Familien, einschließlich eines Landwirts und eines Kolonialwarenhändlers, hielten im Jahre 1932 ihren Einzug in Süsterfeld, davon kamen
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